Der Leonhardi-Umzug, -Fahrt oder -Ritt ist eine jahrhundertealte Tradition und wird normalerweise einmal im Jahr in mehreren Städten Bayerns und Österreichs durchgeführt. Erstmals ist von diesem Brauchtum 1435 die Rede in Reichling (Landkreis Weilheim-Schongau).
Ich erlebte ihn zum ersten Mal am 25. Oktober 2015 in Grafing, östlich von München, und war sehr berührt von dieser sehr alten, schönen Tradition.
Der Heilige Leonhard ist Schutzpatron der Tiere, die ursprünglich für die Landwirtschaft eingesetzt wurden, Pferde und Rinder. Sie spielten früher als Last- und Arbeitstiere eine entscheidende Rolle, denn die Bevölkerung lebte größtenteils bäuerlich. Das Arbeits- und Nutzvieh sollte arbeitsfähig und gesund sein. Leonhardi war der Tag, an dem die Tiere gesegnet wurden. Heute sind das vorwiegend Pferde. Sankt Leonhard soll Rosse und Reiter vor Unfällen, Krankheiten und frühzeitigem Sterben schützen. Eine alte Bauernregel lautet: „Nach der vielen Arbeit Schwere, an Leonhardi die Rösser ehre.“ (Wikipedia: Leonhardifahrt)
Der Heilinge Leonhard hat eine interessante Geschichte. Nach Überlieferungen stammt er aus Gallien (heute: Frankreich), war also weder Österreicher noch Bayer. Er war Abt von Noblac bei Limoges (500 n.Chr.) und setzte sich zunächst für die Gefangenen und deren Befreiung ein. Er wirkte Wunder, indem er nur die Namen der Gefangenen sagte, deren Ketten sofort aufsprangen. Daher wurde er auch „Kettenheiliger“ genannt. Durch seine enge Verbindung mit Ketten wurde er ebenfalls Patron der Geisteskranken. Denn Geisteskranke wurden in dieser Zeit meist in Ketten gelegt. Darüber hinaus heilte der Heilige Leonhard schwere Krankheiten.
Wie kam der Heilige Leonhard dazu, Schutzpatron der Nutztiere zu werden? Er wurde häufig mit Ketten abgebildet, daher die Vermutung, dass die Ketten mit Viehketten der Nutztiere assoziiert wurden. So schien er ein passender Schutzpatron für Nutztiere zu sein und in Kombination mit seiner heilenden Gabe dafür prädestiniert. (Merkur: Tag der schönen Pferde)
Die Pferde wurden gestriegelt, Gespanne geputzt und festlich geschmückt. Es gab Reiter und Reiterinnen, die in bayerischer Tracht ritten.
Die Pferdekutschen aus Holz und Truhenwägen sind alt, traditionell bemalt und werden ein Mal im Jahr für den festlichen Anlass teils aufwendig geschmückt. Frauen, Männer und Kinder sind traditionell gekleidet. Die festliche Tracht unterscheidet sich, je nach Ortschaft, wo der Leonhardi-Umzug stattfindet.
Es gibt keinen festen Termin, wann der Leonhardi-Umzug stattfindet. Die meisten Ortschaften, die nach diesem Brauchtum leben, orientieren sich jedoch an seinem Namenstag, den 6. November und wählen einen Termin, der sich zumindest in zeitlicher Nähe befindet. Wer Interesse hat, die Leonhardifahrten in einem bayrischen oder österreichischen Ort mitzuerleben, gibt in der Suchmaschine einfach den Begriff: Leonhardifahrten ein. Für das Jahr 2020 habe ich das schon gemacht: Leonardiritt und Leonardifahrt 2020 rund um München.
Neben Reitern und Gefährten gehen einige Trachtler und Trachtlerinnen zu Fuß, neben oder hinter den Wägen. Hunderte Besucher schauen sich den Umzug an. Drei Runden durch den Ort bewegt sich die Prozession, genug Zeit, sich alles sehr genau anzusehen. Autos müssen außerhalb der Ortschaft geparkt werden.
Mein ganz besonderer Favorit war ein „Urbayer“ mit Jagdtracht und seinem Jagdhund. Zumindest interpretiere ich es so.
Diese wohl älteste christlich-bayerische Tradition begeistert die Menschen. Die prachtvollen Wägen, verschiedene Pferderassen – vom Esel, Pony bis zum Kaltblut -, Menschen gekleidet in unterschiedlichen Trachten versetzten mich ein bisschen in die Vergangenheit.